Tankstelle versus Ladesäule

Warum unsere Infrastruktur Verbrenner begünstigt

Warten heißt es beim Laden des Elektroautos. Wesentlich schneller geht es hingegen mit Sprit an der Tankstelle. Und das ist noch nicht alles: Während Autofahrer Apps brauchen, um eine freie Ladesäule zu finden, ist das Tankstellennetz gut ausgebaut – und auch mit dem klimafreundlichen E10 ausgestattet.

Selten steht man in Deutschland an der Tankstelle Schlange – und wenn, dann wegen außergewöhnlichen Begebenheiten: Der Sprit ist besonders preiswert, Tanksäulen sind defekt oder es wollen gefühlt alle gleichzeitig an der Autobahnraststätte das Auto volltanken. Anders sieht es bei Elektro-Ladesäulen aus. Hier gehören Wartezeiten einfach dazu. Hat ein Autofahrer keinen Ladezugang im Eigenheim oder am Arbeitsplatz, ist er dazu gezwungen, seinen Wagen unterwegs aufzuladen. Und das kann derzeit noch ziemlich lange dauern.

Bei einer Leistung von elf Kilowatt benötigt die Ladesäule etwa 3,5 Stunden, eine Schnellladestation mit 50 Kilowatt schafft es immerhin in nur 40 Minuten – auf einen Ladestand von 80 Prozent. Gedrosselt wird die maximale Ladeleistung jedoch durch die mögliche maximale Ladeleistung des Elektroautos und der Elektroinstallation, wie der ADAC betont. Selbst, wenn Ladesäulen entwickelt werden, die in kürzester Zeit den Akku wieder vollladen, kann es also sein, dass die Ausstattung des Autos diese gar nicht zulässt. Die Ladesäulen sind also immer nur so effektiv, wie die Elektroautos es ermöglichen. Um ladetechnisch auf den schnellsten Stand zu sein, muss also auch ein Auto mit der modernsten Elektrik her.

Ladepunktziel wirkt unrealistisch

Völlig anders sieht es da bei der Tankstelle aus. Zugegeben, als 2011 der Benzinkraftstoff E10 eingeführt wurde, mussten Tankstellenwarte ihre Tankstellen erst einmal modernisieren. Das bedeutet, sie mussten einen zusätzlichen Tank unterhalb der Tankstelle einrichten oder bei einem bestehenden Tank den Inhalt austauschen. Auch das passierte nicht Schlag auf Schlag. Doch an jeder der 14.459 Tankstellen in Deutschland (Stand 2021) gibt es Benzin, an den meisten sogar mit bis zu zehn Prozent Bioethanolbeimischung. Für Fahrer von Benzinern bedeutet das also weder großartig Ausschau zu halten noch zu hoffen, dass das Auto kompatibel ist. Denn mehr als 95 Prozent aller zugelassenen Benziner in Deutschland können problemlos mit E10 betankt werden. Ohne Aufwand können schon heute Fahrer von Verbrennern ihren Einfluss auf den Klimawandel reduzieren.

Benziner tragen schon heute zum Klimaschutz bei

Und das ist auch dringend nötig: Denn bis auch die Ladesäuleninfrastruktur ausreichend ausgebaut ist, wird es noch viele Jahre dauern. Im Juni 2021 waren laut Bundesnetzagentur rund 44.000 öffentliche und teilöffentliche Ladepunkte von Energieunternehmen, Parkhaus- und Parkplatzbetreibern, Supermärkten und Hotels erfasst – ungefähr jede sechste davon ein DC-Schnelllader (mit bis zu 50 kW). Damit gibt es viel zu wenig Ladesäulen im Verhältnis zu zugelassenen E-Autos und Plug-in-Hybriden. So teilen sich im Schnitt 17 E-Pkw einen Ladepunkt. Im November 2020 waren es noch 13. Einer Studie der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur zufolge könnten bis 2030 rund 14,8 Millionen batterieelektrische und hybride Fahrzeuge in Deutschland zugelassen sein. Damit stiege der Bedarf auf bis zu 843.000 Ladepunkte – etwa die Hälfte davon sollen am Straßenrand oder auf öffentlichen Parkplätzen stehen.

81.900
Ladepunkte müssten pro Jahr eingerichtet werden (bis 2030)

Hierzu eine kleine Rechnung: Von 2016 bis 2019 wurden durchschnittlich 5.700 Ladepunkte pro Jahr in Deutschland installiert (von 6.895 auf 24.000 Stück). Um bis 2030 auf mehr als 800.000 Ladepunkte zu kommen, müssten jährlich etwa 81.000 Ladepunkte eingerichtet werden. Das wäre ein Faktor von mehr als 14 im Vergleich zum bisherigen Zuwachs. Ist das noch realistisch?

Schafft Deutschland es, bis 2030 bis zu 800.000 Ladepunkte zu installieren?

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