Synthetische Kraftstoffe könnten Benziner am Klimaschutz beteiligen
Ökostrombasierter Treibstoff könnte die Energiewende in der Automobilbranche weiter vorantreiben. Ob E-Sprit eine echte Alternative zur E-Mobilität ist, hängt letztlich davon ab, ob Politik und Industrie mitziehen.
Experten prognostizieren, dass sich bis 2030 der Liter Benzin ohne unvorhersehbare Einflüsse auf mindestens 2,50 Euro pro Liter verteuert. Die günstigeren und klimaschonenden Biokraftstoffe stehen auf dem Abstellgleis, weil die deutsche Regierung sie nicht weiter fördert – denn sie konzentriert sich auf die E-Mobilität. Doch nun macht eine neue Art des Kraftstoffs von sich reden: strombasierter Sprit. Bundesverkehrsminister Volker Wissing verkündete im Januar vor dem Bundestag: „E-Mobilität ist für die Einhaltung der Klimaschutzziele ein wichtiger Baustein. Gleiches gilt aber auch für strombasierte Kraftstoffe – E-Fuels.“ Kommt jetzt die E-Fuels-Offensive?
Wie weit sind synthetische Kraftstoffe?
Anders als Biokraftstoffe, die auch als Biomass-to-Liquid (BTL) bezeichnet werden und dem Namen entsprechend aus Biomasse hergestellt werden, werden E-Fuels aus Öko-Strom erzeugt (daher Power-to-Liquid, PTL). Sie werden vor allem mithilfe von Sonnen- und Windkraft produziert und sollen daher besonders umweltschonend sein. Noch sind die ersten Anlagen nicht reif für die Massenproduktion, doch große Namen wie Porsche, die mit E-Fuels ihre Bestandsflotte sichern wollen, und Siemens Energy haben ambitionierte Ziele: Bis 2026 wollen sie bis zu 550 Millionen Liter Ökostrom-Kraftstoff herstellen. Wie auch bei Biokraftstoffen müssen für den Einsatz synthetischer Kraftstoffe keinerlei Anpassungen an den Bestandsfahrzeugen, der Tankstelleninfrastruktur und den Transporttankern vorgenommen werden. Die strombasierte Variante ist chemisch so aufgebaut wie fossile Kraftstoffe. Mit dem Unterschied, dass bei der Verbrennung nur so viel CO2 freigesetzt wird, wie bei der Herstellung gebunden wurde. Außerdem enthalten E-Fuels keinen Schwefel und weisen laut „Clean Diesel“-Hersteller Heion weniger Stickoxide und Rußpartikel auf.
Synthetische Kraftstoffe werden grundsätzlich aus zwei Bestandteilen hergestellt: Wasserstoff (H2) und Kohlenstoff (C). Aus Wasser wird mithilfe von grünem Strom Wasserstoff hergestellt. Dieser wird mit CO2 aus der Luft oder mit bei der Produktion von Ethanol verflüssigtem CO2 verbunden. Das Produkt ist mit Rohöl vergleichbar und wird in Raffinerien zu Benzin, Diesel, Heizöl oder Kerosin weiterverarbeitet.
Für den Pkw kommen E-Fuels vermutlich zu spät
Laut einer forsa-Umfrage zögen rund 60 Prozent der Menschen in Deutschland E-Fuels im Verbrenner einem Elektroauto vor. Die Vorstellung von synthetischen Kraftstoffen wirkt ideal Doch die Realität sieht etwas komplizierter aus: Benzin hat einen durchschnittlichen Energiewert von 8,5 kWh, der von Diesel liegt bei etwa 9,8 kWh. Um einen synthetischen Kraftstoff herzustellen, werden also mindestens diese Energiemengen benötigt. Vor der Corona-Pandemie wurden im Jahr 2019 rund 47 Milliarden Liter Benzin und Diesel verbraucht. Wollte man diese Menge an E-Fuels herstellen, wären in Deutschland mehr als 750 Milliarden kWh an Strom nötig. Das übersteigt sogar den jährlichen Stromverbrauch der Deutschen, der bei etwa 500 Milliarden kWh liegt. Es wäre also als alleinige Lösung schlichtweg nicht zu leisten. Experten sind sich jedoch einig: Synthetische Kraftstoffe können eine sinnvolle Ergänzung zur E-Mobilität sein und neben Biokraftstoffen langfristig Verbrenner klimafreundlicher machen.
Aber: Hierzulande kann kaum so viel Strom aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden, wie es benötigt würde. Deshalb baute Porsche seine Produktionsanlage auch im windreichen Chile. Die Millionen Tonnen E-Fuels werden anschließend mit Tankern über den Atlantik nach Europa geschifft. Für Verbrenner-Autos könnte aber selbst das zu spät sein: 550 Millionen Liter E-Fuels decken gerade einmal ein Prozent des Kraftstoffverbrauchs in Deutschland ab. Als alleinige Lösung fallen sie demnach weg. Außerdem sind die Verluste recht hoch: Nur rund 60 Prozent der Energie, die in Form von Strom eingespeist werden, landen auch im Brennwert des Produkts. Im herkömmlichen Benzinmotor erreicht der synthetische Stoff daher lediglich einen Wirkungsgrad von 35-45 Prozent (zum Vergleich: beim E-Auto werden bis zu 90 Prozent umgesetzt). Hinzu kommt, dass der Literpreis laut ADAC heute bei etwa 4,50 Euro liegt und bis 2030 vermutlich nur auf 2,29 Euro sinken wird (inkl. Steuern).
Wenig Unterstützung aus der Politik
Denkbar wäre es, E-Fuels für Transportmittel wie Schiffe und Flugzeuge zu verwenden, für die die nötige Masse an Batterien einfach zu schwer wäre. Lufthansa fliegt bereits mit 100.000 Tonnen E-Fuels im Jahr (das entspricht etwa 100 Flügen zwischen Europa und USA) und will bis 2030 etwa 2 Prozent des Luftfahrt-Kraftstoffs aus nachhaltigen Ressourcen nutzen.
Plant die Bundesregierung nun, synthetische Kraftstoffe zu unterstützen? Bisher nicht. Zwar hat sie rund 100 Millionen Euro für die entsprechende Forschung bereitgestellt, wirtschaftlich ist die industrielle Herstellung aber noch nicht. Anlagenbetreiber bezahlen für den Strom, der für die Elektrolyse nötig ist, die üblichen Steuern und Abgaben. Deren Anteil kann bei Strom bis zu 80 Prozent ausmachen. Die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen im großen Stil wäre also nur sinnvoll, wenn Politik und Industrie mitziehen.
Mehr zu den Möglichkeiten und Schwierigkeiten von synthetischen Kraftstoffen fasste der Auto-Tuner JP Performance 2021 in einem Video anschaulich zusammen: Hier geht’s zum Video.