Biokraftstoffe schaden der Natur? Nicht in Europa!

EU untersagt Rohstoffe aus Schutzgebieten

Seit vielen Jahren gibt es Biokraftstoffe – und gleichzeitig viel Widerstand dagegen. Zu früherer Zeit waren diese sogar teilweise berechtigt. Doch es hat sich viel in diesem Sektor verändert, und einige Kritikpunkte sind längst überholt. Vor allem in Europa.

Es ist August, in Südamerika der trockenste Monat des Jahres: Seit Wochen sehen Brasilien und seine Nachbarländer rot. Denn im südlichen Amazonasbecken bestimmen Flammen und dichter Qualm das alltägliche Bild. Grund für die tobenden Waldbrände sind lange und heiße Trockenperioden, aber auch der Mensch. Die Nachfrage für Vieh und pflanzliche Rohstoffe wächst, das Land hingegen wird immer knapper. So profitieren vor allem Landwirte, Zuckerfabrikanten und Spekulanten von den verkohlten Flächen. Vereinzelt legen sie absichtlich Feuer und machen damit die wichtigen Kohlenstoffspeicher dem Erdboden gleich. Anschließend beanspruchen sie die Flächen als Ackerland für ihren Soja und ihr Zuckerrohr. Später werden daraus unter anderem Biokraftstoffe hergestellt, die in den nationalen Verkehr fließen oder ins Ausland verkauft werden.

Dabei ist der Gedanke von Biokraftstoffen alles andere als umweltzerstörend: Mit ihnen machen wir nicht nur unsere Verbrenner-Autos im Straßenverkehr klimafreundlicher, sondern mittlerweile auch erste Flugzeuge und Schiffe. Sie haben große Vorteile: Die Ressourcen wachsen nach, die Ökobilanz bessert sich deutlich und die Erdölimporte sinken. Je mehr fossile Kraftstoffe durch nachhaltige Alternativen ersetzt werden können, desto besser für das Klima und die Umwelt. In Deutschland und Europa sind die exportierten Rohstoffe und Endprodukte durch Zertifizierungssysteme streng reguliert. Das reduziert und verhindert nicht nur soziale Missstände wie Ausbeutung, Hunger und Armut, sondern verbessert auch insgesamt die Klimabilanz der Biokraftstoffe. Doch so, wie es heute in Europa ist, war es nicht immer – und in einigen Regionen der Welt besteht weiterhin starker Nachholbedarf, zum Beispiel in Zentral- und Südamerika.

Alle Verbraucher müssen bedient werden

Für den ADAC ist es vor allem wichtig, dass für den mittlerweile nur noch kleinen Teil der Fahrer, die einen Pkw führen, der kein E10 verträgt, ein Ausweichangebot bestehen bleibt, so eine Sprecherin. Dennoch empfiehlt der Verband ausdrücklich E10, wenn die Verträglichkeit des Fahrzeugs bestätigt wurde. Und das sind heute praktisch alle Fahrzeuge ab einem Baujahr von 2011. „Das ist nicht nur aus Umweltgründen sinnvoll, sondern angesichts des hohen Preisniveaus an den Tankstellen auch finanziell attraktiv“, heißt es. E10 ist in der Regel etwa sechs Cent preiswerter als E5.

Auch die Verbraucherzentrale hält eine Abschaffung der Vorhaltepflicht für unkritisch, solange ein Grundprinzip eingehalten wird: „An Tankstellen muss immer Superbenzin und Diesel verkauft werden“, sagte ein Sprecher. Die angeblichen Boni der Premiumspritsorten zweifelt die Verbraucherzentrale eher an. „Der hohe Aufpreis lohnt sich nicht und wir raten davon ab.“ Vor allem im Stadtgebiet macht Power-Sprit wenig Sinn, zumal dessen Vorzüge erst bei Geschwindigkeiten von über 100 km/h zum Tragen kämen.

Ein Wegfall der Sorte E5, solange es weiter Super Plus gäbe, sei demnach für den Verbraucher zumutbar. Wer seinem Auto so wenig Bioethanol wie möglich einfüllen möchte, kann in Deutschland weiterhin auf Premium-Sorten zurückgreifen. Super Plus 98 ist hierzulange fast immer ohne Ethanolbeigabe. Ältere Pkw und Oldtimer wären demnach weiterhin versorgt.

Kritik an Biokraftstoffen in Deutschland

Die meisten Autos in Deutschland fahren mit den fossilen Kraftstoffen Benzin und Diesel. An der Tankstelle gibt es mittlerweile Diesel mit einem siebenprozentigen Bioanteil. Der besteht größtenteils aus Rapsöl und Methanol, jenseits des Atlantiks dient Soja als pflanzliche Basis. Auch bei Bioethanol, das dem Benzin beigemischt wird, um die Ölimporte und Treibhausgasemissionen zu reduzieren, gibt es je nach Standort unterschiedliche Rohstoffe: in Europa sind es mehrheitlich Getreide und Zuckerrüben, in Nordamerika Mais und im Süden des Kontinents Zuckerrohr. Kritiker sehen hierbei vor allem ein Problem: Alle nachwachsenden Rohstoffe, die letztlich im Tank landen, könnten genauso gut für die tierische und menschliche Ernährung verwendet werden. Deshalb entstand vor vielen Jahren ein Streit darum, wofür verfügbare Ackerflächen benutzt werden sollten: die sogenannte Teller-Tank-Diskussion.

Zu wenig Fläche für Lebensmittel könnte weltweit zu Preiserhöhungen führen. Um dies zu vermeiden, werden daher in einer weiteren Folge Flächen zu Äckern umgewandelt, die eigentlich unter Schutz stehen: Nicht selten bedeutet das, dass Wälder gerodet, Moore trockengelegt und andere Schutzgebiete zerstört werden. Darauf werden anschließend Lebensmittelpflanzen angebaut. Eine Konkurrenz zwischen Energiepflanzen und Lebensmitteln entsteht. Deshalb und weil einige Biokraftstoffhersteller keine Rücksicht auf die Natur nehmen, stehen die nachhaltigen Treibstoffe immer wieder negativ in den Schlagzeilen.

In Brasilien ist es gesetzlich untersagt, auf Flächen für Moore, Regenwälder und andere Schutzgebiete Energiepflanzen anzubauen. Pflanzen, die der Ernährung dienen, dürfen allerdings gesät werden. Deshalb kommt es vor, dass auf manchen Äckern beispielsweise Ölpalmen für den Biosprit angebaut werden und daneben der Wald gerodet wird, um Flächen für Lebensmittel zu gewinnen. Einer der Haupttreiber ist die Viehzucht. Sie ist der häufigste Grund dafür, dass Land illegal umfunktioniert wird und indigene Gebiete ruiniert werden. Laut Welt am Sonntag wurden in einem Zeitraum von fünf Jahren alleine für die Fleischimporte nach Deutschland pro Jahr etwa 2,5 Quadratkilometer Naturschutzgebiete in Brasilien zerstört und für die Viehzucht in Weideland umgewandelt. Das entspricht 350 Fußballfeldern.

Strenge Gesetze sollen Landnutzungsänderungen verhindern

Mittlerweile versucht die EU durch weitere Gesetze das Ausmaß an direkter und indirekter Landnutzungsänderung (iLUC) zu reduzieren. Erst im Dezember 2022 einigten sich die Mitgliedsstaaten darauf, keine Produkte mehr in der EU herzustellen oder zu verkaufen, die die Abholzung des Regenwalds mitverantworten. Darunter fallen unter anderem Palmöl, Kaffee, Soja – und Fleisch. Die Regelung geht so weit, dass selbst in der EU gezüchtetes Vieh nicht mit Soja gefüttert werden darf, das auf einem ehemaligen Naturschutzgebiet angebaut wurde.

Hier können Vorteile der Biokraftstoffe genutzt werden: Denn sowohl bei der Produktion von Biodiesel aus Raps als auch bei Bioethanol aus Getreide oder Zuckerrüben fallen hohe Mengen an eiweißhaltigem Viehfutter an, die bereits jetzt Sojaimporte verringern. Gut zwei Drittel des Raps werden zu Presskuchen verarbeitet, während das Öl aus den Samen zu Speiseöl oder Biodiesel weiterverarbeitet wird. Ähnliches passiert in Bioethanolanlagen: Bei einer Tonne Bioethanol werden zusätzlich etwa eine Tonne Proteinfutter und andere Stoffe wie verflüssigtes CO2 produziert.

Änderung der Beimischungsverpflichtung in europäischen Staaten

In den vergangenen Jahren sind die Kapazitäten dieser Biokraftstoffe gestiegen und so auch der Verbrauch. Damit fallen auch größere Mengen an Futtermittel und weitere nachhaltige Koppelprodukte für die Industrie an. Doch hält dieser Trend an? Wie viel die EU-Mitgliedsstaaten im kommenden Jahr verbrauchen, ist kaum vorauszusagen. Denn es stehen einige weitere gesetzliche Änderungen an: In einigen Ländern läuft die Beimischungsverpflichtung für Biokraftstoffe aus. Die Tschechische Republik bleibt bis Juli auf einer freiwilligen Basis, Kroatien schafft damit verbundene Sanktionen ab, Finnland senkt die Quote und Schweden überlegt, die Pflicht im Jahr 2023 einzufrieren. Lettland setzt seit Juli 2022 und noch bis Ende des kommenden Jahres eine Beimischungspflicht aus.

Und in Deutschland? Als Folge der neu entfachten Teller-Tank-Diskussion schlägt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) in einem Arbeitspapier vor, die derzeitige Obergrenze von 4,4 Prozent für pflanzliche Biokraftstoffe auf 2,3 Prozent zu senken und sie bis 2030 gänzlich abzuschaffen. Das würde sich auch erheblich auf die Beimischung von Bioethanol sowie die Herstellungsprozesse auswirken. Begünstigt würden durch die Änderung insbesondere fortschrittliche Biokraftstoffe aus abfallbasierten Rohstoffen sowie e-Fuels. Doch ob die Produktionsverfahren bis 2030 ausgereift und wirtschaftlich sind, ist bislang nicht abzusehen.

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