32 % erneuerbare Energien in Wärme, Strom und Verkehr
Seit 2009 war die Erneuerbare-Energien-Richtlinie das Fundament für den Umgang mit Grünstrom in Europa. Dieser sollte einen Ausgleich zu den bisher geförderten und bevorteilten herkömmlichen Energien schaffen. 2018 wurde die Richtlinie umfassend novelliert. Die wichtigsten Ziele im Überblick.
Selten steht man in Deutschland an der Tankstelle Schlange – und wenn, dann wegen außergewöhnlichen Begebenheiten: „Das Klima retten“, heißt der wichtige Auftrag der Menschheit. Doch bedeutet das, wir müssen plötzlich alle fossilen Quellen schließen, den digitalen Fortschritt einstellen und nur noch zu Fuß gehen? Nein, meint die EU und hat deshalb ihren Mitgliedsstaaten einen Rahmen gegeben, in dem sie sich politisch und wirtschaftlich bewegen müssen. So fallen mehr und mehr fossile Energieträger weg und werden in den Sektoren Wärme, Strom und Verkehr durch erneuerbare Energien ersetzt. Dieser Rahmen hieß bis vor wenigen Jahren Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009/28/EG (kurz: RED für Renewable Energy Directives). 2018 galt es schließlich, diese Richtlinie zu überarbeiten und die Vorgaben für die Zeit nach 2020 anzupassen.
Die RED von 2008 schrieb den EU-Staaten vor, bis 2020 insgesamt einen Anteil von 20 % erneuerbaren Energien im gesamten Energieverbrauch zu erzielen. Die Staaten sollten den Summen-Anteil durch unterschiedlich hohe Ausbauziele erreichen. Diese waren verbindlich. Wurden sie nicht eingehalten, konnten dies geahndet werden. Sie sind in integrierten nationalen Energie- und Klimaplänen (NECP) aufgestellt, welche die Mitgliedsstaaten laut Governance-Verordnung seit Ende 2019 der EU-Kommission vorlegen und danach alle zehn Jahre in ihrer aktualisierten Form zur Überprüfung übermitteln müssen. Sie umfassen Finanzierungs- als auch Zeitpläne für die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen. Bleibt ein Land für zwei Jahre hinter den Zielen des Aktionsplans zurück, muss es zunächst einen angepassten Plan mit neuen Maßnahmen vorlegen.
Deutschland hinkt hinterher
Mit der Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EU) 2018/2001 (RED II) müssen die Mitgliedsstaaten die Ausbauziele bis 2030 auf insgesamt 32 % erhöhen. Anders als bisher, gilt von nun an nur noch das gemeinschaftliche Ziel als verbindlich, nicht aber das nationale. Für die Staaten, die hinterherhinken, bedeutet dies eine Entschärfung; auf Staaten, die der geplanten Quote voraus sind, könnte eine Verschärfung zukommen: Die EU-Kommission will bis 2023 prüfen, ob sie Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, ihre durch sie geförderte EE-Kapazität anderen Mitgliedsstaaten bereitzustellen (mindestens 5 % ab 2021, 10 % ab 2027). Erlaubt sind etwa Förderregelungen und Kooperationen.
Profitieren könnte auch Deutschland , das bis 2020 einen Anteil von 18 % erneuerbare Energien erreichen wollte (Stand: Nationaler Energie- und Klimaplan 2020, NECP) und dies knapp verfehlte. Nun will die Regierung bis 2030 ganze 30 % erzielen. Schweden hingegen hat seit 2012 eine steigende Quote von mittlerweile mehr als 50 %. Auch Finnland, Kroatien und Estland liegen weit über ihren avisierten nationalen Zielen und könnten somit verpflichtet werden, ihre EE-Kapazitäten abzutreten.
Verkehrssektor soll grüner werden
Und das ist auch dringend nötig: Denn bis auch die Ladesäuleninfrastruktur ausreichend ausgebaut ist, wird es noch viele Im Verkehrssektor müssen die Staaten mindestens 14 % des Endenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien decken (Art. 25 RED II, Stand Juni 2019). Erfüllen sie die Vorgabe nicht, könnten zum Beispiel Strafzahlungen für die Fehlmenge fällig werden. Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, sogar den doppelten Wert zu erreichen. Diesen will es unter anderem über eine erhöhte Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) erreichen: Bisher galt für Inverkehrbringer von Kraftstoffen, die THG-Quote um 6 % zu senken. Nun soll ihnen etwa durch fortschrittliche Biokraftstoffe, grünen Wasserstoff oder grünen Strom eine Reduzierung von 25 % bis 2030 gelingen. Es ist den Staaten erlaubt, die Quote in den kommenden Jahren schrittweise anzuheben.
Dazu wurden auch die Anrechnungswerte für die verschiedenen Energieträger überarbeitet: Sogenannte „Power-to-X-Kraftstoffe“ (PtX, strombasierte Kraftstoffe) dürfen mindestens mit dem Doppelten ihres Energiegehalts angerechnet werden, Ladestrom in E-Fahrzeugen sogar dreifach. Laut aktuellem Bundes-Immissionsschutzgesetz wird es außerdem zur Pflicht, fortschrittliche Biokraftstoffe und Biogas in festgelegten Mindestmengen zu benutzen (bis 2030 auf mindestens 3,5 %, RED II Art. 25.1). Um zusätzliche Anreize zu schaffen, dürfen diese bis zu einem Anteil von 1,75 % mit dem Doppelten ihres Energiegehalts auf die THG-Quote angerechnet werden. Gleichzeitig wird der Anteil von Biokraftstoffen aus Futtermitteln beim Status Quo eingefroren: 4,4 % dürfen nicht überschritten werden.
Nutzen von Biokraftstoffen unterschätzt?
Hierzu eine kleine Rechnung: Von 2016 bis 2019 wurden durchschnittlich 5.700 Ladepunkte pro Jahr in Deutschland installiert (von 6.895 auf 24.000 Stück). Um bis 2030 auf mehr als 800.000 Ladepunkte zu kommen, müssten jährlich etwa 81.000 LadeVerbände wie der Biokraftstoffverband (VDB) kritisieren gerade die Mehrfachanrechnungen. Da sie im Zusammenspiel mit dem ungleichmäßigen Anstieg der THG-Quote die Erfüllungsrate gegenseitig verdrängen. Eine gleichmäßige Steigerung könnte laut VDB etwa 60 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich einsparen. So sei auch der Einfluss von Biokraftstoffen tendenziell größer als ihnen zugerechnet werde. Auch sieht der Verband die Relevanz von PtX erst ab 2030. Der aktuelle Gesetzesentwurf signalisiert klar: Der Strom soll selbst die Biokraftstoffe verdrängen. Dabei sieht der Vorsitzende des Bundesverbands der deutschen Bioethanolwirtschaft, Norbert Schindler, vor allem in der Dreifachanrechnung von Ladestrom ein Problem, „weil sie keine unmittelbare Klimaschutzwirkung entfaltet. Gleichzeitig sollten durch entsprechende regulatorische Vorgaben auch höhere Beimischungen zu Benzin wie zum Beispiel Super E20 ermöglicht werden.“