Biokraftstoffe: ADAC fordert Einführung von E20
Wie können wir Bestandsfahrzeuge am Klimaschutz beteiligen? Wenn es nach dem ADAC geht, mit dem doppelten Anteil von umweltschonendem Bioethanol im Benzin. Kommt nach E10 nun E20 an die deutschen Tankstellen?
Anfang 2022 sind rund 31 Millionen Benziner und fast 15 Millionen Diesel-Fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs. Und gerade einmal 680.000 Elektroautos. Die CO2-Einsparung der E-Autos fällt angesichts solcher Zahlen bisher schwindend gering aus: Sie beträgt gerade einmal 1 %. Neben den wenigen Zulassungen ist der deutsche Strommix ein Grund für den bescheidenen Einfluss, aber auch der CO2-Ausstoß bei der Fertigung liegt bei einem E-Auto höher als beim Verbrenner. Durch eine höhere Beimischungsquote von Bioethanol im Benzin könnte die bestehende Fahrzeugflotte selbst bei gleichbleibendem Marktanteil also relativ schnell den CO2-Ausstoß reduzieren.
Ethanol aus erneuerbaren Energien wird in der EU nach strengen Nachhaltigkeitskriterien hergestellt, um die Umwelt zu schützen und Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Es kann aus heimischen Rohstoffen und Abfällen hergestellt werden, sorgt für mehr Arbeitsplätze auf dem Land und ist die unmittelbarste, kosteneffizienteste und nachhaltigste Möglichkeit, um die den Verkehr betreffenden EU-Klimaziele zu erreichen. Der Benzinkraftstoff E10 enthält bis zu 10 % Bioethanol, war aber seit seiner Einführung 2011 in Deutschland unbeliebt und hat erst jüngst seine Marktanteile von mehr als 17 % im vergangenen Jahr auf 22,8 % im zweiten Quartal 2022 erhöht. Das liegt vor allem am durchschnittlich 6 Cent günstigeren Preis (zu Super E5).
Der ADAC hat sich längst für eine höhere Beimischungsquote von Bioethanol in Benzin ausgesprochen und die Vorteile betont. Dadurch würde noch mehr CO2 eingespart, weitere Ölimporte verringert und es würden weniger Partikel und Stickoxide in die Luft abgegeben. ADAC-Technikpräsident Karsten Schulz meinte gegenüber den Zeitungen der Funke-Gruppe bereits 2020, dass der Verbrennungsmotor sogar perspektivisch klimaneutral werden könne. Die Lösung sei jedoch nicht das bloße Ersetzen, sondern auch die kontinuierliche Weiterentwicklung der Kraftstoffe. Ein Extrembeispiel: die Mischung aus E-Fuels und nachhaltig hergestelltem Bioethanol. Im Motorsport gibt es erste Teams, die diese Kombination auf der Rennstrecke testen.
In der EU genügend Rohstoffe für E20 vorhanden
Doch kann sich Europa einen höheren Bioethanolverbrauch überhaupt leisten, ohne schützenswerte Naturflächen, die Nahrungsmittelversorgung und Artenvielfalt zu gefährden? Ja, ist die klare Einschätzung einer Studie der Energie- und Nachhaltigkeitsberater E4tech aus Großbritannien. Das Expertenteam untersucht die potenzielle Nachfrage nach Ethanol als Kraftstoff im Jahr 2030, wenn E20 im gesamten Benzinpool verwendet würde, und wie diese gedeckt werden könnte. Es unterscheidet zwischen einem 20-prozentigen oder gar 100-prozentigen Marktanteil. Bei ihren Berechnungen dienen den Autoren Marktdaten von 2017 als Grundlage. Außerdem gehen sie davon aus, dass alle Benziner E10 und E20 vertragen. In allen der beschriebenen Szenarien ist die Einführung von E20 möglich.
Um die theoretisch erforderlichen Volumina von 8,8 Milliarden oder 17,1 Milliarden Litern Bioethanol im Jahr 2030 zu erreichen, müssten bestehende Anlagen ausgereizt und neue gebaut werden. Dazu wären 21 neue konventionelle und 44 neue fortschrittliche Ethanolanlagen erforderlich. Die Ausgaben für den Bau dieser Anlagen liegen schätzungsweise bei 12,2 Milliarden Euro. Das entspricht etwa 5 % der jährlichen Ausgaben der EU für Erdölimporte und weniger als 0,1 % des Bruttoinlandsprodukts der EU.
Im Extremfall von 100 % Marktanteil würde die gesamte EU 2,4 Millionen Hektar zusätzliche Anbaufläche für Pflanzen benötigen (zum Vergleich: Saarland hat eine Fläche von 0,26 Millionen Hektar), um die zusätzlichen 6,9 Milliarden Liter Ethanol zu liefern. Ein sehr geringer Wert in Anbetracht der bereits bestellten Flächen für die Ethanolherstellung im Jahr 2017: 55,5 Millionen Hektar Getreide und 1,8 Millionen Hektar Zuckerrüben. Nicht außer Acht gelassen werden sollten die eiweißhaltigen Koppelprodukte aus der konventionellen Bioethanolanlage: Jede Tonne Nebenprodukt ersetzt eine Tonne Sojaimporte aus Ländern wie Brasilien.
„Selbst wenn das gesamte Ethanol, das zur Deckung der Nachfrage im Jahr 2030 bereitgestellt wird, aus Pflanzen hergestellt würde, würde in keinem dieser Szenarien die geschätzte Obergrenze der RED II überschritten werden“, heißt es seitens der Experten. In der EU ist der Beitrag von Biokraftstoffen auf Pflanzenbasis im Verkehrssektor gedeckelt. Dadurch kann es nicht dazu kommen, dass übermäßig viel Fläche mit Energiepflanzen bebaut wird.
ADAC empfiehlt moderaten Einstieg mit alternativen Kraftstoffen
Ob es E20 vom Motorsport auch auf die deutschen Straßen schafft, hängt größtenteils vom politischen Rahmen ab. Wie der ADAC auf Nachfrage dieser Redaktion erklärte, wäre zum einen eine schrittweise steigende Beimischungsquote empfehlenswert. „Ferner sollten treibhausgasneutral erzeugte Kraftstoffe von der Energiesteuer und der CO2-Bepreisung freigestellt werden sowie unter bestimmten Bedingungen auf die CO2-Flottengrenzwerte angerechnet werden dürfen“, erklärt der Automobilclub. Doch auch die Industrie müsse mitziehen und entsprechende Investitionen und Schritte unternehmen, um Herstellungsverfahren zu optimieren und neue Anlagen zu errichten.
Auch die Automobilindustrie hat eine tragende Rolle inne: Sie müsste ihre Bestandsfahrzeuge erneut auf Verträglichkeit prüfen, Bauteile neuer Modelle gegebenenfalls anpassen oder ersetzen. Durch die politischen Vorgaben sind die Hersteller eher dazu angehalten, auf E-Autos zu setzen und Häuser wie Volkswagen neigen sogar gänzlich zum Verzicht auf neue Verbrenner. Erst wenn entsprechende Maßnahmen getroffen sind, könnte beim Verbraucher ausreichend Vertrauen entstehen, auf den klimaschonenderen Kraftstoff umzusteigen.