Biomethan für Heizung, Strom und Fahrzeug
Über Jahrzehnte hatte Deutschland eine zuverlässige Gas-Versorgung durch Importe aus Russland, Norwegen und den Niederlanden. Doch Privathaushalte und Gewerbe verbrauchen mehr als früher – und dann stoppt Russland auch noch die Lieferung. Doch Biokraftstoffe könnten künftig helfen.
Bis heute ist Deutschland in Sachen Erdgas stark von Importen aus dem Ausland abhängig. Denn es gibt hierzulande kaum eigene fossile Gasquellen – und die wenigen, die es gibt, sind längst erschöpft. Gerade einmal 5,2 Prozent betrug im vergangenen Jahr die Inlandsförderung. Neue Lagerstätten lassen sich allerdings in einem so dicht besiedelten Land nicht ohne Weiteres erschließen. Es hätte den Umzug ganzer Gemeinden zur Folge, wie beispielsweise derzeit im Falle des Kohlekraftwerks in der Nähe von Lützerath diskutiert wird. Außerdem werden die Genehmigungsverfahren immer aufwändiger und zeitintensiver.
Teil des Biomethans geht aus Ethanolwerken hervor
Doch Erdgas entspricht nicht immer fossilem Erdgas: Auf lange Sicht könnten Bioethanol- und Biogasanlagen dazu beitragen, Importe zu verringern. In Deutschland gibt es mehr als 9000 Biogasanlagen, rund 230 davon produzieren Biomethan – allerdings landet ein Teil davon als Flüssiggas (LNG) in Tankstellentanks. Als Rohstoffe werden entweder Energiepflanzen, biogene Abfall- und Reststoffe, beispielswiese Speisereste oder Gülle, eingesetzt. Biomethan kann zudem als Nebenprodukt in Bioethanolanlagen entstehen.
Das im Jahr 2020 verwendete Biomethan stammte bereits Mitte des Jahres zu 53,3 % aus Abfällen und Reststoffen, wie das Umweltbundesamt in einem Bericht angab. Dabei handelte es sich insbesondere um die verarbeitete Schlempe aus Bioethanolanlagen. Als Schlempe werden die Rückstände der Biomasse nach der Destillation bezeichnet. Diese werden vergoren und aus diesem Prozess ein Gasgemisch gewonnen, das entweder als Prozesswärme in der Anlage bleibt oder in einem weiteren Schritt auf Erdgasqualität verarbeitet wird. Das Ergebnis: Biogas, das entweder ins europäische Erdgasnetz eingespeist oder verflüssigt an Tankstellen verkauft werden kann.
Politik erkennt Biogas-Potenzial nicht vollständig an
Der Gesamterdgasverbauch in Deutschlang lag 2021 bei mehr als 660 Terrawattstunden. Gerade einmal zehn TWh hatten Biogasanlagen eingeleitet. Dabei könnten es Forschern zufolge viel mehr sein. Bislang scheint sich die Politik allerdings dagegen zu sperren. Obwohl Biogas zu den erneuerbaren Energien zählt, wird es seitens der Politik nicht als vollwertige grüne Energie anerkannt und gefördert. Lediglich für die Stromerzeugung (KWK-Anlagen) und bei der Sanierung alter öffentlicher Gebäude wird Biogas verwendet. Eine Ausnahme ist das Erneuerbare-Wärme-Gesetz in Baden-Württemberg, das Hauseigentümer dazu verpflichtet, erneuerbare Energien einzusetzen, sobald sie ihre Heizungsanlagen austauschen.
Welch großes Potenzial Biomethan als klimafreundliche Lösungen für Strom, Wärme und Fahrzeuge birgt, haben Forscher von Aurora Energy Research erkannt. Kurz nachdem Russland in die Ukraine einmarschiert ist, veröffentlichten sie eine Analyse, wie Deutschland die Gasversorgung auch ohne russische Importe gewährleisten kann. Das Ergebnis: Zwei Drittel der im Winter 2022/23 entstehenden Gaslücke könnte durch volle Speicher geschlossen werden. Den Rest müsste Deutschland durch einen reduzierten Verbrauch ausgleichen oder die Biogaskapazitäten hochfahren. Auch eine Kurzstudie des Deutschen Biomasseforschungszentrums Leipzig und des Wuppertal Instituts unterstützt diese These, und noch mehr: Branchenexperten gehen davon aus, dass sich mehr als 45 Prozent des durch Gaskraftwerke produzierten Stroms durch Biogas decken ließen.
LNG-Nachfrage für Lastkraftwagen und Arbeitsmaschinen steigt
Während Biogasanlagen deutsche Haushalte und Industrien mit Strom und Wärme versorgen, könnten Bioethanolanlagen den Kraftstoff Flüssiggas liefern. In Deutschland gibt es derzeit drei Werke, die Alkohol- und Bioethanolherstellung vereinen. In Anklam (Mecklenburg-Vorpommern) steht die Ethanolanlage angrenzend zur Zuckerfabrik der Firma Consut Beet Company. Überschüssige Schnitzel der Zuckerrüben und andere Reststoffe werden hier seit 2013 zur benachbarten Gasanlage gebracht und zu Rohbiogas fermentiert.
Anlagen von Verbio in Schwedt und Zörbig können aus vier Strohballen (entspricht etwa zwei Tonnen) so viel Biomethan herstellen, dass ein Mittelklasse-Pkw mit LNG-Antrieb ein ganzes Jahr lang fahren kann. Das liegt daran, dass Biomethan von allen Biokraftstoffen die höchste Energiedichte und zusätzlich zirka 130 Oktan aufweist. Das macht es vor allem für Schwerlaster attraktiver. Nach Angaben des Branchenverbandes Zukunft Gas wurden allein 2021 mehr als 1.800 LNG-Lkw neu zugelassen. Außerdem hat sich der LNG-Absatz in den vergangenen drei Jahren auf 134.600 Tonnen verneunfacht. Experten zufolge sind in Deutschland jährlich 20 Millionen Tonnen Strohpotenzial verfügbar. Das entspräche dem Kraftstoffbedarf von zehn Millionen Pkw oder mindestens 200.000 Lkw.
Die Branche wäre bereit für eine Biogas-Offensive
Die Grundlagen für einen Wandel wären da. Was jedoch fehlt: Ein klares Signal aus der Politik, dass die Anlagen auch in Zukunft benötigt werden. Aktuell sieht es nämlich nicht danach aus. Nicht nur, dass Bioethanol von der Regierung nicht gefördert wird, jüngste Änderungen am Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) zeigen auch, das Biogas weiterhin unterschätzt wird. Es wären Erleichterungen im EEG sowie im Bau- und Genehmigungsrecht vonnöten, um der Branche genügend Anreize zu geben, die Leistung der Bestandsanlagen hochzuschrauben.
Die fast 1000 Biogasanlagen erzeugen jährlich rund 95 TWh, von denen lediglich 10 TWh ins Gasnetz abgegeben werden. Durch kurzfristig erhöhte Produktion wäre laut Studienautoren fast das doppelte möglich. Das Einzige, was die Anlagenbetreiber davon abhält, die technisch maximal mögliche Biogasmenge zu produzieren, seien laut Hauptstadtbüro Bioenergie mehrere externe Beschränkungen.