Neues Verfahren macht Ethanol aus Reststoffen preiswert

Aus Grünstrom und Holzresten wird günstiger Kraftstoff

Ein neues Verfahren für die Ethanolherstellung aus biologischen Reststoffen könnte fortschrittlichen Biokraftstoff finanziell wettbewerbsfähig machen. Eine Rolle spielt dabei ein altbekanntes Hausmittel: Essigsäure.

Laut dem Weltklimarat müssen die CO2-Emissionen noch vor 2030 stark reduziert werden, um den Klimawandel zu begrenzen und seine Folgen abzuschwächen. Ein Lösungsansatz für den Verkehrssektor sind Kraftstoffe aus Biomasse, genauer: aus Reststoffen wie Altholz und Stroh. Vor diesem Hintergrund haben sich Forscher der finnischen Technischen Universität Lappeenranta-Lathi und des Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit der Technischen Universität München zusammengetan, um das Herstellungsverfahren für Bioethanol noch effizienter zu gestalten. Sie kombinieren Biokraftstoff mit Grünstrom. Die Ergebnisse ihrer Modellierung sind erstaunlich.  

Weniger als ein Euro pro Liter Bioethanol 

Ethanol ist schon seit vielen Jahren ein etablierter Biokraftstoff, der den Verkehrssektor dekarbonisiert und langfristig die CO2-Emissionen reduzieren kann. Derzeit wird der Alkohol vor allem durch Fermentation von Zucker aus stärkehaltigen Rohstoffen wie Getreide oder Mais gewonnen. Fortschrittliches Bioethanol wird sogar aus Reststoffen und lignozellulosehaltiger Biomasse (z. B. Stroh und Holzreste) hergestellt. Das deutsch-finnische Team hat einen anderen Ansatz: Bereits technisch ausgereifte Teilprozesse werden neu miteinander kombiniert – und um einen weiteren, neuen Schritt ergänzt.  

Zunächst wird Synthesegas aus Biomasse gefiltert und reformiert. Das Verfahren ist am besten aus der Erdgasreformierung bekannt, bei der aus leichten Kohlenwasserstoffen Wasserstoff erzeugt wird. Es gilt bis heute als effizienteste und wirtschaftlichste Möglichkeit, Wasserstoff zu produzieren. Das Hydrogen wird dann durch Stromzufuhr so weiterbehandelt, dass am Ende Essigsäure entsteht, die wiederum hydriert wird. Das Endresultat: Ethanol.  

In drei Versuchswegen hat das Team die effizienteste und emissionsärmste Variante erforscht. Bei angenommenen Biomassekosten von 20 Euro pro Megawattstunde (MWh) und Stromkosten von 45 Euro pro MWh betrugen die niedrigsten nivellierten Kosten für erneuerbares Ethanol 0,65 Euro pro Liter. Die Forscher gingen von einem Jahres-Output von 42.000 Tonnen Ethanol aus. Abhängig vom schwankenden Strompreis würde sich der Literpreis laut Modellierung zwischen 0,56 und 0,74 Euro pro Liter bewegen. Wesentlich günstiger als andere umweltschonende Alternativen: Eine Studie aus dem Jahr 2020 kalkulierte die Kosten für Ethanol aus Cellulose und kam auf 103 bis 158 Euro pro Megawattstunde. Preiswerter wurde es bei Lignocellulose, nämlich zwischen 85 und 158 Euro. Selbst die konventionelle Produktion (1. Generation) liegt laut den Autoren mit durchschnittlich 50 Euro/MWh höher. 

Mit einem neuen Verfahren könnten aus 1 Tonne trockener Biomasse bis zu 1.410 Liter Bioethanol hergestellt werden. Bisher waren nur etwa 300 Liter möglich.

Was macht das Verfahren so profitabel? Die Ethanolausbeute ist wesentlich höher als beim fermentationsbasierten Prozess auf Basis von Holz und Stroh. Die Forscher haben ein Verhältnis von fast 1:1 festgestellt. Für eine Tonne Ethanol werden 1,1-1,05 Tonnen trockene Biomasse benötigt. Das entspricht einer Produktionsmenge von 1.350-1.410 Litern Bioethanol. Mit derzeitigen Lösungen liegen die typischen Erträge bei 200-300 Litern pro Tonne Trockenbiomasse, so das Team.  

Außerdem werden nur geringfügig Nebenprodukte gebildet und moderate Mengen an Material eingesetzt. Dadurch liegt die Kohlenstoffeffizienz der Modellierung bei über 90 Prozent. Der Wirkungsgrad ist also wettbewerbsfähig mit anderen Verfahren, die Wasserstoff mit Biomasse kombinieren, wie etwa die Fischer-Tropsch-Synthese

Standorte in Kanada und Finnland denkbar – Deutschland fällt vorerst raus 

Ein Teil der Studie befasst sich mit der Frage, wo Produktionsstätten entstehen könnten. Dadurch könnte eine nationale Unabhängigkeit von Zulieferern erreicht werden. Das Konzept ermöglicht auch zwei separate Anlagen an zwei verschiedenen Standorten. Die erste Anlage produziert die Essigsäure in einer Umgebung, in der Biomasse in hohen Mengen verfügbar ist. An einem anderen wird der letzte Schritt, die Dehydrierung der Essigsäure, vorgenommen. Hier müssen die Bedingungen für erneuerbaren Strom passen. Gemessen am Restholzpotenzial und der Grünstrom-Situation wären vor allem Kanada und Finnland denkbar. Deutschland eignet sich derzeit noch nicht als Standort. Stroh und Restholz gelten hierzulande nicht als Abfallstoff und werden demnach zu höheren Preisen verkauft. Außerdem ist der Anteil an erneuerbaren Energien im deutschen Strommix nicht hoch genug, um die CO2-Emissionen gering zu halten.  

Reif für die Umsetzung ist das Verfahren noch nicht, wie die Autoren der Studie schreiben. Die Technologie des letzten Schrittes sei noch nicht ausgereift und bei der Wettbewerbsfähigkeit sei auch noch Luft nach oben. Sie erwarten, dass diese mit sinkenden Erzeugungskosten für erneuerbaren Strom weiter verbessert werden könne – zumal sie beim Literpreis ohnehin von einer Schwankung von 30 Prozent für den Strompreis ausgehen. Die Investition in dieses Verfahren dürfte sich jedenfalls lohnen. Denn auch, wenn sich die Elektromobilität durchsetzt, werden Biokraftstoffe wie Ethanol weiterhin als Energieträger gebraucht werden. Der Alkohol wird nicht nur als Benzinbeimischung verwendet, um CO-Emissionen zu reduzieren, sondern auch in Brennstoffzellen sowie neuerdings in Flugzeugmotoren. Außerdem wird an Möglichkeiten geforscht, mit Hilfe von Bioethanol Dieselmotoren von Arbeitsfahrzeugen zu betreiben. Technologisch gesehen wären in Zukunft folgende Schritte nötig, um den neuen Prozess umsetzungsreif zu machen: weitere Katalysatoren entwickeln, ein Reaktordesign und der Bau sowie Betrieb einer Pilotanlage.  

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